Stevenstift in Leiden

Betrachtet von Ralph Gleis

40 Jahre – 40 Kunstwerke: Folge 26

Ralph Gleis, seit 2017 Leiter der Alten Nationalgalerie, spricht über das erste von den Freunden der Nationalgalerie erworbene Kunstwerk. Bereits bei der Gründungssitzung des Vereins 1977 wurde der Ankauf beschlossen.

Das Bild des Stevenstift in Leyden, eine private Einrichtung für Alte und Bedürftige, steht motivisch in einer Reihe mit den Darstellungen des Waisenhauses und des Altmännerhauses in Amsterdam. Der Weg geht fast senkrecht in die Tiefe, nur die vorderen beiden Frauen sind genauer ausgeführt. Dem Zurückweichen der Hauswand entspricht das motivische und räumliche Übergewicht des Gartens. Auf den Garten aber kam es Liebermann gerade an. An ihm vor allem erprobte er seine neue Spachteltechnik. Büsche und Bäume sind nur summarisch, als Farb- und Raumeindruck erfasst, erst mit den späten Gartenbildern wird Liebermann wieder versuchen, der Pflanzenfülle unter Einsatz von Farbmaterie gleichsam haptisch gerecht zu werden.

Auch der sich stark verjüngende Weg ist ein Meisterstück abstrakter Malerei, „ein gutes Stück Malerei“, hätte Liebermann gesagt. Von seinem Biographen Erich Hancke wissen wir, daß Liebermann oft die Farbe dick übereinander schichtete, teilweise wieder herunterkratzte und neu auftrug, bis er den Farbklang gefunden hattem der ihm vorschwebte. Mitunter auch nahm er ein scharfes Schustermesser und schnitt die Farbfläche auf eine Höhe. Nur als Ergebnis solch eines langwierigen Prozesses scheint der farblich so wunderbar reiche Stiftsweg denkbar.

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Vor 6 years gepostet

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